Rückblick Österreich Teil V: Untertauern Tag 5

16 09 2010

Nachdem Anna uns am Vortag sicher über den Tauernkarsee navigiert, in ihren eigenen Rhythmus des Fliegenfischen wiedergefunden und erfolgreich einige Saiblinge gelandet hatte, wollte sie am fünften Tag ihre ersten Gehversuche in der Taurach unternehmen. Richtig wäre eigentlich empört einzuwänden „ihre zweiten Gehversuche!, denn im Vorjahr hatte Anna mich einen Tag begleitet und dabei eine stattliche Bachforelle von 45 cm gefangen (ihren ersten Fisch überhaupt). Da sie das untere Stück des Flusses deshalb noch in guter Erinnerung hatte, fuhren wir nach dem reichhaltigen Frühstück in Richtung Radstadt und parkten an einer großen Holzbrücke, die den Radweg vom linken ans rechte Ufer lenkte.

Bild 1: Start in den Tag

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Wir spazierten gemütlich aber zielstrebig stromauf zu einer Stelle, an der die Taurach an den Rändern flach in eine Kiesbank ausläuft und sich von dort die Böschung steil erhebt, ohne jedoch – im Vergleich zu den meisten anderen Abschnitten des Fluss – stark bewachsen zu sein. Anna hatte sich die langgestreckte Kurve mit der tiefen Rinne am linken Ufer beim Joggen ausgeguckt und wollte hier in den Tag starten. Eine gute Wahl! Gemächlich fließendes Wasser, Platz zum Werfen und viele potentielle Fischstandplätze. Leider musste wir jedoch feststellen, dass IHR Platz bereits von einem Fischer besetzt war, der sich wohl ähnliches gedacht hatte. So eine Frechheit! Nächstes Mal früher kommen und ein Handtuch hinlegen 😉

Wir überließen dem fließig fischenden Kollegen selbstverständlich weiträumig das Feld und gingen stromabwärts zu der Brücke an der wir unseren Kombi abgestellt hatten. Hier war das Wasser zwar wesentlich flotter in Richtung Tal unterwegs und Büsche sowie tiefhängende Äste machten das Präsentieren wesentlich anspruchsvoller, aber man kann sich ja nicht immer die „Sonnenseiten“ aussuchen: Fliegenfischen ist eben keine Pralinenschachtel. Außerdem dachte ich, dass es nicht schaden kann, wenn man von Anfang an weiß mit schwierigeren Stellen umzugehen. Meistens werden ja gerade diese Spots übergangen und beherbergen (wahrscheinlich gerade deswegen) oftmals schöne Salmoniden.

Bevor wir loslegten, versuchte ich Anna noch einmal – ganz und gar nicht „oberlehrerhaft“ – zu erklären, worauf es bei der Fischerei und beim Waten in einem Gebirgsbach mit viel Wasser ankommt: kurze Leine, kurze Würfe und Rute immer hoch, um möglichst wenig Kontakt mit der Wasseroberfläche zu haben. Beim Waten die Füße nicht zu weit vom Boden heben, kleine schlürfende Schritte und beim Queeren lieber ein wenig stromauf gegen die Strömung bewegen. Einen Blick für die richtigen Plätze zum Servieren der Trockenfliege hatte Anna noch: Unmittelbar an den Rändern (vornehmlich in kleinen „Buchten“), hinter Störsteinen und in Kehrströmungen. Während wir darüber sprachen und ich ihr entsprechende Stellen vor unserer Nase zeigte, fing ich bereits die ersten zwei Bachforellen des Tages. Das fing ja gut an!

Bild 2: Theorie ist das eine, Praxis das andere. Ab ins Wasser!

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Dass Theorie und Praxis jedoch zwei paar Schuhe sind, merkte Anna auf ihren ersten Metern im kühlen Nass noch deutlich. Ihr fiel es verständlicherweise anfänglich recht schwer, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren: Die ungewohnten Bewegungen gegen den starken Wasserdruck, das Ausschauhalten nach geeigneten Plätzen für die buschige Sedge, die minimalistischen Wurfbewegungen mit den hohen Stoppunkten, das direkte Heben der Rutepitze, das Führen des Köcherfliegenimitats auf der Wasseroberfläche und der nächste kurze Überkopf- oder Rollwurf (je nach Uferbewuchs) zum richtigen Zeitpunkt. Komplexe Abläufe, die man sich als erfahrener Fliegenfischer erst einmal wieder bewusst vor Augen führen muss.

Ich ging einige Schritte hinter meiner Freundin her, versuchte ihr aus dem Rücken einige hilfreiche Tipps zu geben (ab und zu Mut zu machen) und befischte dabei mit einem Auge das andere Ufer – an dem sich ein paar Bach- und Regenbogenforellen vor ihr versteckt hatten. Ich merkte, dass Anna mit ihrer 7,6ft. Rute in der Klasse 4 beim Werfen einige Probleme hatte, die sie selber auch wahrgenommen, aber nicht eindeutig benennen konnte. Für die recht gemütliche Aktion der Gerte waren ihre Bewegungen für mein Empfinden deutlich zu schnell (das Vorfach wollte sich nicht strecken und die Fliege landete dementsprechend nicht immer dort, wo sie einen Fisch vermutete). Also reichte ich ihr meine Z-Axis, der eine schnelle Führung sehr entgegenkommt. Prompt war ihr Schlaufenbild deutlich schöner anzusehen und auch die Fliege fand nun ihren Platz in die kleinen Taschen am Ufer. Die über 30 cm länger empfand sie, trotz des dichten Bewuchs, ebenfalls als angenehm, ließ sich das Muster bei dieser Form der Fischerei doch besser kontrollieren. So verabschiedete ich mich bis zum Mittag von meiner geliebten Rute…

Bild 3: Ich, der Fisch und Annas Rute

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Von Minute zu Minute fühlte sich Anna sicherer und verbrachte nun auch mehr Zeit mit dem eigentlichen Fischen – nur eine Fliege im Wasser kann einen Fisch fangen! Überrascht war sie jedoch, als ich sie auf mehrere Bisse hinwies, die sie im schnellen, weiß rauschenden Wasser verpasst und anscheinend nicht wahrgenommen hatte. Ich gab ihr auch noch meine etwas dunklere Poolbrille und prompt konnte sie den ersten Take mit einem leichten Anhieb parieren. Obwohl sich die Bachforelle schnell aus dem Drill verabschiedete, war der Anfang gemacht: der erste kurze Kontakt mit einer Taurachforelle.

Bild 4: Hier wartete die Bachforelle auf Anna

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Zufrieden gönnte ich mir eine kleine „Auszeit“ und stahl mich aus Annas Rücken für einen Moment in die Büsche. Die Träger meiner Wathose gerade wider richtend aus meinem Versteck zurückkommend, sah ich Anna sich umschauend auf einem großen Stein sitzen: In meiner Abwesenheit war sie ausgerutscht und hatte eine erfrischende Bekanntschaft mit dem seichten Uferwasser gemacht. Bei den nicht gerade sommerlichen Temperaturen eine unfreiwillige Erfahrung auf die jeder Fliegenfischer getrost verzichten kann…

Anna ruhte sich ein wenig aus, setzte sich mit dem Versuch zu trocknen ins Gras und ich fing schnell noch ein paar Bach- und Regenforellen. Weil sich der Himmel aber immer weiter zuzog und es merklich kälter wurde, traten wir lieber den Rückzug ins warme Hotel an, anstatt nass (zumindest einer von uns) unsere Pirsch flussaufwärts fortzusetzen.

Bild 5: Die letzte Bafo vor dem Mittag

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Nach einer aufwärmenden Stärkung im Hotel zog es mich noch einmal ans Wasser. Anna hingegen hatte keine Lust mehr und zog ein gutes Buch einem guten Fisch vor.

Ich ging über den Radweg am Ufer an der Taurach entlang stromabwärts und versuchte aus meiner erhöhten Position im glasklaren Wasser gezielt Fische zu erspähen. Hatte ich einen Fisch gesichtet, kletterte ich vorsichtig die steile Böschung hinab, hockte  mich einige Meter hinter den Flossenträger und versuchte mit so wenig Würfen wie möglich den Salmoniden unmittelbar vor mir zum Steigen zu überreden. Eine interessante und spannende Abwechslung zum durchgehenden Fischen im Wasser stromauf.

Nachdem ich auf diese Weise die ersten Bachforellen gefangen hatte, kam ich zu jener Brücke, an der ich einige Tage zuvor die riesige Forelle auf meinen Streamer einmal verpasst und einmal verloren hatte. Auf der Holzbrücke stand jedoch bereits ein Fliegenfischer und schaute in die Tiefe, er wusste anscheinend welche rotgetupften Überraschungen sich unter ihm in der harten Strömung versteckten. Ich ging zu ihm, er grüßte freundlich und wir kamen unmittelbar ins Gespräch. Er ließ eine große Fliege aus Schaumstoff von der linken zur rechten Flussseite über die Wasseroberflächte tanzen. Eine interessante Präsentation, die ich bisher so noch nicht gesehen hatte. Er erzählte, dass er bereits seit über 10 Jahren an die Taurach kommt und er mittlerweile viele Fische beim Namen kannte, darunter auch mein Kolloss unter unseren Füßen (der diesmal jedoch keine Lust hatte an die Oberfläche zu kommen). Er hieß Klaus, stammte aus Rheinland-Pfalz, war ein symphatischer Kerl und seinen Erzählungen nach zu urteilen offenbar ein erfahrener  Fliegenfischer – nicht nur auf Forellen, sondern auch auf Raubfische und Meerforellen. Ohne uns bewusst abzustimmen, gingen wir anschließend gemeinsam weiter am Ufer entlang, suchten zusammen nach aussichtsreichen Stellen und setzten unsere Pirsch zu zweit fort. An steilen Böschungen ließ mir Klaus den Vortritt und freute sich – fast wie ich mich selber – für meine Fänge. Keine Spur von so etwas wie „Fischneid“ oder „Geheimnistuerei“, nein: wir verstanden uns gut und hatten Spaß, dem anderen beim Fischen zuzusehen und konnten auch scherzen, wenn der andere einen steigenden Salmoniden verpasste.

Bild 6: Eine Forelle mit Klaus

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Bis zum Abendessen verbrachten wir noch ein paar Stunden am Wasser und verabredeten uns für den kommenden Vormittag. Klaus wollte mir weiter stromabwärts einen wenig auffälligen Abschnitt zeigen, den ich bisher nicht beachtet hatte, an dem er jedoch schon sehr oft große Fische gefangen hatte. Ein weiterer Grund, dem nächsten Tag entgegen zu fiebern!

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Die anderen Tage

Teil 1: Untertauern Tag 1

Teil 2: Untertauern Tag 2

Teil 3: Untertauern Tag 3

Teil 4: Untertauern Tag 4

Teil 6: Untertauern Tag 6

Teil 7: Untertauern Tag 7 (von Anna)

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Impressionen Untertauern Tag 5


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4 responses

16 09 2010
Jörg

Schön geschrieben, gefällt mir gut.
Es ist mir auch schon aufgefallen, dass es unter Fliegenfischern, wie soll ich sagen, „freundschaftlicher“ zugeht als unter anderen Fischern. Man findet sehr schnell Anschluss erhält meist gute Tipps und hat fast immer gute Gespräche.

Ich bin schon auf die beschriebene Stelle gespannt.

Viele Grüße

Jörg

16 09 2010
Alex

Hallo Jörg,

ich kenne leider nicht viele Nicht-Fliegenfischer. Aber auch unter den Fliegenfischern habe ich schon viele getroffen, die nicht so offen waren. Ich denke, es gibt überall solche und solche. „Solche“ sind mir aber lieber 😉 Warum soll man nicht ein paar Tipps weitergeben oder mal jemanden in die eigene Fliegendose schauen lassen. Wie soll ein Anfänger sonst etwas lernen?

Viele Grüße
Alex

11 02 2012
Chaty

Ein freundliches Hallo an alle Fliegenfischer-Meister,

vor einem Jahr beobachtete ich Fliegenfischer in Untertauern und war wie infiziert. Das war ein Sport, dem ich alles abgewinnen konnte, was mir für meine Freizeit wichtig war. Viel Natur und viel Ruhe in schöner Landschaft!
Dazu eine Herausforderung an das eigene Ego und dieses Quäntchen Nervenkitzel, das man braucht, um wirklich glücklich zu sein.
Meine Frage nun: Wo und wie fängt ein blutiger Anfänger an???

Schon einmal danke an alle, die sich die Mühe machen, mir zu antworten.

Chaty

15 02 2012
Alex

Hallo Chaty,

schreib mir doch mal eine Mail. Ich gebe Dir dann gerne ein paar Infos (flybei@gmx.de)

Viele Grüße
Alex

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