von Alex
Ich bin heute früh aufgewacht und habe mit Blick auf den Kalender und die näherrückende Pfingswoche erschrocken realisiert, dass wir schon Juni haben. What?! Wie schnell sind denn bitte die letzten 11 Wochen vergangen? Ich weiß nicht wie es Euch ergeht, aber ich habe immer noch das Gefühl, als habe die Forellensaison 2014 eben erst begonnen. Es ist aber schon 1/3 um…
Dabei zeigen sich die im März noch trostlosen Flüsse und ihre kahlen Ufer doch schon seit einigen Wochen in lebendiger und grüner Pracht. Alleine dadurch hätte mir das rasante Fortschreiten der Jahreszeit ja wohl auffallen müssen. Oder zumindest dadurch, dass ich mich mittlerweile durch hohe Brennesseln kämpfen muss, um zu meinen Lieblingsstellen zu kommen. Auch die ersten Sonnenbrände sind eingefangen, weil ich beim ungedulgigen Verlassen des Hauses in der Morgendämmerung keinen Gedanken an die brütende Hitze unter der Nachmittagssonne verschenkt habe.
Vielleicht habe ich all das aber kaum bemerkt, weil sich die Fischerei seit dem Frühling nicht viel verändert hat. Wir kämpfen – mit einigen wenigen Tagen Ausnahme – seit Beginn mit Niedrigwasser. Tage, an denen ich mich stromauf durch die wilde Rur kämpfen musste? Fehlanzeige. Leider. Ein ähnliches Spiel an den Flüssen in der belgischen Wallonie. Die Fische scheint dies dort aber etwas weniger zu stören, sind sie seit März recht regelmässig bei meinen Besuchen gestiegen. Man muss sich nur die Zeit nehmen, sich sehr vorsichtig am Ufer bewegen und geduldig beobachten. Es ist verblüffend was passiert, wenn man sich einfach mal eine Viertelstunde geschützt in die Böschung setzt und still aufs Wasser schaut. Der Fluss beginnt sich langsam in eine Art Aquarium zu verwandeln. Aufgrund der niedrigen Pegel und des dadurch klareren Wassers sieht man mit etwas Konzentration auf den Flussgrund und dank einer guten Polbrille unfassbar viele Fische und darf Zeuge kleiner, spannender Geschichten sein. Ob es zwei Barben sind, die sich um einen großen Stein verfolgen und immer näher herankommen. Ob es die großen Döbel sind, die sich in der Mittagshitze träge unter den schattigen Büschen versammeln. Ob es die Schule von prachtvollen Äschen ist, aus der sich ab und an eine Fahnenträgerin löst und einen kleinen Ring auf die Oberfläche zeichnet. Oder aber ob es die 60+ Forelle ist, die am Abend langsam und vorsichtig am Ufer patroulliert, um dann blitzschnell – wie ein Hecht – in einen Schwarm Jungfische zu schießen.
(Die erste Barbe 2014 – Auf Sicht gefangen)
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Eines der spannendsten Erlebnisse war in dieser Hinsicht sicherlich vor ein paar Tagen der Fang einer absoluten Prachtforelle. Ich war mit Kristof unterwegs und wir hatten uns für den Morgen einen sehr langsam fließenden Gewässerabschnitt ausgesucht. Der Fluss stand hier beinahe und nur an den wenigen Pollen auf der Oberfläche war eine langsame Strömung zu erahnen. Bei einem, zwei oder meinegwegen auch drei Schoko-Croissants begannen wir, die Stelle genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit dem buttrigen Teiggebäck im Mund und den Händen seitlich am Gesicht versuchten wir uns auf den Flussgrund zu konzentrieren und mögliche Bewegungen wahrzunehmen. So arbeiteten wir uns systematisch stromauf vor. Beinahe zeitgleich sahen wir dann endlich etwas: Am gegenüberliegenden Ufer war ein heller Fleck im maximal knietiefen Wasser. Unmittelbar oberhalb eines versunkenen Astes und tief unter einem überhängenden Busch. Eine Forelle. Und was für eine! Zunächst schien sie recht regungslos, nur ab und an war eine leichte Bewegung ihrer Schwanzflosse auszumachen. Dann plötzlich ein Zucken ihres beeindruckenden Körpers und tatsächlich: Sie stieg auf, hinterließ nur einen winzigen Ring, der schnell vom Ufer verschluckt wurde und stellte sich wieder vor ihren Ast. Diskreter geht es nicht.
Da wir uns beide am Vortag schon jeweils über eine 50+ Bachforelle freuen durfte und somit keiner ’nachzulegen‘ hatte, spielten wir Schnick-Schnack-Schnuck (oder Stein-Schere-Papier, ganz wie ihr wollt). Dieses Spiel hatte sich bei vergleichbaren Fällen in den Vorwochen für uns etabliert. Außerdem macht es Spaß, steigert zusätzlich die Spannung und bei einem Sieg natürlich vorallem die Vorfreude auf die Präsentation der eigenen Fliege. Die erste Runde endete jedenfalls mit einem Unentschieden: Schere und Schere. Ich dachte ‚Ok, wenn er Schere hatte, dann nimmt er vielleicht jetzt etwas, was gegen die Schere verliert, weil er denkt, dass ich sicher nicht nochmal die Schere nehme und auf Stein oder Papier umsteige. Vielleicht nimmt er aber auch nochmal Schere und denkt, dass ich denke, dass er ja wohl nicht nochmal die Schere nimmt. Aber vielleicht… ach was solls: SCHERE!‘ Kristof hatte natürlich Stein und somit ging der Versuch, den stolzen Fisch zum Steigen zu bringen, an ihn.
Ich blieb mit einem stummen Schrei und geballten Fäusten in erhöhter Position am Ufer und mein belgischer Freund pirtschte sich mit einem breiten Grinsen und einem ‚The next one is for you.‚ langsam in Position, ohne natürlich auch nur einen Fuß ins Wasser zu setzen und den glatten Spiegel zu zerstören. Er knüpfte eine kleine Köcherfliege ans Vorfach, während ich die Videokamera aufbaute. In solchen Situationen zeigt sich wieder, warum es viele Vorteile hat zu zweit zu fischen, denn unten am Fluss konnte er den Fisch nicht mehr sehen. Von meinem erhöhten Standplatz aus konnte ich ihm hingegen genau beschreiben, wo die Rotgetupfte stand und ob seine Präsentation in Ordnung war. Und die war nicht leicht, denn es hieß etwa 15 Meter Distanz zu überbrücken und die CDC-Sedge kurz in der angedeuteten Kehrströmung zu halten, während die Flugschnur mit den Pollen stromab trieb. Keine einfach Aufgabe!
Nach einigen erfolgslosen Driften dann endlich eine Regung der Bachforelle. Allerdings nicht auf Kristofs Fliege. Weil die Forelle aber vermutlich schonmal auf dem Weg war, machte sie kehrt und steuerte langsam auf die ‚falsche‘ (also die ‚richtige‘; also die ‚künstliche‘) Köcherfliege zu, die etwa einen Meter seitlich vorbeitrieb. Das Gefühl in diesem Moment ist unfassbar! Du weißt, dass gleiche eine riesen Bachforelle Deine Trockene nehmen wird. Zig Dinge gehen Dir durch den Kopf. Wird sie überhaupt nehmen oder doch noch abdrehen? Bloß nicht zu schnell anschlagen! Wird das feine Tippet die erste Flucht überstehen? Wo ist mögliches Totholz im Wasser, das dem Fisch zum Vorteil sein und mir zum Verhängnis werden könnte?
Alles ging gut. Die Forelle schlürfte die Köcherfliege von der Oberfläche, der sanfte Anhieb saß, die ersten Kopfstöße und der erste Marsch flussaufwärts wurden von der sensiblen 4er Rute spielend abgefedert und auch der restliche Drill verlief problemlos. Ich packte meine Kamera ein, spurtete los und wenig später hatten wir die Bachforelle im Schonnetz. 64cm und mit einem dicken Hängebauch. Was für ein Fisch!
(Ein Prachtexemplar – 64cm und ’still rising‘)
Nach der euphorischen Freude entfaltete sich bei mir anschließend die motivierende Aussicht, dass der nächste Flossenfund dieser Art ohne Schnick und Schnack und Schnuck dann an mich gehen sollte. Der Tag war ja noch lang und voller Möglichkeiten. So machten wir viele viele Kilometer vom Busch der 64er bei einem anderen Busch Bekanntschaft mit einer 46er Äsche sowie zwei ü50 Forellen. Dabei hatten wir es zunächst auf einen ganz anderen Fisch abgesehen. Und das kam so…
Ich stand im Wasser und war nach der Scheren-Falle am Morgen an der Reihe. Kristof robbte auf allen vieren vorsichtig am rechten Ufer, um einen Blick unter einen Busch zu werfen – wieder ein Busch. Ich hatte einige Wochen zuvor an diesem schattigen Unterstand schon gute Erfahrungen gemacht und wollte es auf einen zweiten Versuch, trotz eines langen Fußmarsches, unbedingt ankommen lassen. Kristof lag im Gras und sah nach einigen Augenblicken schon die Schwanzflosse einer Bachforelle. Kurz darauf bekam er den passenden Fisch zur Flosse zu Gesicht und schätze ihn auf ca. 40cm. Ich fing also an, meine Nymphen oberhalb des Busches zu platzieren und am langen Vorfach ganz natürlich stromab treiben zu lassen. Nichts! Bei jeder Drift näherte ich mich der steinernen Uferbefestigung ein paar Zentimeter und fing außerdem an, die Nymphen am Ende der Drift langsam aufsteigen zu lassen. Da kam der ersehnte Biss. Es war allerdings nicht die 40er-Bachforelle, sondern eine wunderschöne, kräftige Äsche.
(Äsche – Auf eine aufsteigende Nymphe)
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Nach ihrem Release warteten wir ein paar Minuten und ließen die Stelle ruhen. Dann war Kristof an der Reihe. Nach etwa 10-15 Driften auch bei ihm ein Biss. Allerdings wieder nicht die Bachforelle, die er gesehen hatten, sondern ein weit größeres Exemplar von 52cm. Also nochmal ein paar Minuten warten. Die 40er musste ja noch da sein. Es war also wieder mein Turn und nochmals einige Präsentationen später war meine Rute erneut krumm. Das musste sie jetzt aber sein. Nein. Es war wieder nicht die 40er, sondern diesmal eine 55er Bachforelle! Wir waren baff und amüsiert zugleich. DAS hätten wir unter diesem kleinen Busch wirklich nicht erwartet…
Achja: Danach haben wir die Stelle und den Busch verlassen. Die 40er und ihre unvorsichtige Schwanzflosse hatten uns so viel Glück gebracht, da durfte sie an diesem sonnigen Mittag ruhig im Schatten bleiben. Außerdem lagen noch ein paar andere Büsche auf unserer Route für den Nachmittag. Davon aber beim nächsten Mal mehr.
Abschließend noch eine Auswahl weiterer Fotos der letzten Tage und Wochen – eine zweite Gallerie folgt in Kürze. Ich werde es leider zeitlich nicht schaffen, alle Fische mit der passenden Geschichte zu würdigen, obwohl ich mich an alle genau erinnere. Ich werde aber versuchen (ähnlich wie auf der FLY.BEI Facebookseite), künftig noch mehr Kurzberichte zu schreiben. Vielleicht schon ganz bald, denn die nächsten spannenden Trips stehen unmittelbar bevor. Es geht das erste Mal wieder auf Hecht und anschließend treffe ich Fabian, um mit ihm die Wiesent – hoffentlich zeitgleich mit einem schönen Maifliegenschlupf – zu befischen. Dazwischen werde ich mich natürlich um meine hiesigen Gewässer kümmern. Einer muss es ja machen 🙂 Und ich bin mir sicher, wenn ich drei Mal mit den Augen gezwinkert habe, ist das nächste Drittel der Forellensaison vorbei…
Ich hoffe, dass ihr das 1/3 ebenso genießen konntet und ich wünsche Euch für die restlichen 2/3 ‚Tight Lines‘!
Euer Alex
P.S. Vielelicht sehe ich ja den ein oder anderen von Euch heute Abend beim Stammtisch im Kapellchen. Würde mich freuen!
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