Eiskalte Füße, wir haben eiskalte Füße!

1 02 2011

Nach dem üblichen Semesterende-Stress der letzten Zeit (ganz vorbei ist er leider noch nicht), stand das letzte Wochenende noch einmal ganz im Zeichen der Fliege:

  • Samstag zog es Daniel und mich in die nahen Niederlande, um einen See zwischen Roermond und Eindhoven mit dem Bellyboot zu befischen.
  • Sonntag besuchten wir mit Freunden aus dem Club „Mouche Passion“ die jährlich stattfindende Fliegenfischermesse in Charleroi.

Von beiden Ausflügen haben wir einiges mitgenommen – eine Vielzahl kleiner Tütchen hier, 20 kalte Zehen dort.

Fangen wir an dieser Stellte mit den Zehen an: Das Thermometer stand bei -4°, die Frontscheibe war vereist und die Klimaanlage versuchte mit aller Kraft den eigenen Atem unsichbar werden zu lassen. Nach ein paar milderen Tagen hatte der Winter erneut mit kalter Faust zugeschlagen. Wenigstens war aber der Himmel wolkenfrei und strahlend blau, so dass eine schwache, tief stehende Sonne zumindest die Gedanken wärmer werden ließ. Daher versicherte ich mich noch einmal beim Pächter des Sees. Sicher ist Sicher. Ja, u kunt komen. Het meer is ijsvrij. Grünes Licht! Ab auf die Piste!

Nach einem längeren Stau erreichten wir gegen Mittag den großen Parkplatz vor dem kleinen Häuschen. Dort wartete bereits Sven, ein Fliegenfischer aus dem Raum Krefeld, auf uns. Ich kenne ihn von der Rur und auch ihm war es am Bindetisch scheinbar zu langweilig geworden. Wir pumpten unsere Bellyboote auf – die richtige Betätigung gegen die eisigen Temperaturen – und machten unsere Ruten fit. Beim letzten Mal hatte ich mit einer älteren Sage SP (Klasse 7, 9.6 ft.) gefischt. Da mir das Wechseln der Schnüre, um unterschiedliche Tiefen absuchen zu können, aber zu mühseelig war, nahm ich diesmal außerdem meine Z-Axis (Klasse 5, 9 ft.) mit an Bord. Sinkschnur mit Bobby auf der einen, Schwimmschnur mit Wooly Bugger auf der anderen. Die schlanken Chiros blieben erstmal in der Fliegendose.

Wir ließen uns vom leichten Wind etwa 20m vom Ufer entfernt treiben und fischten gründlich alle Richtungen um uns herum ab. Nichts! Bei unserem letzten Besuch im Dezember war den ganzen Tag über noch relativ viel Oberflächenaktivität zu beobachten und sogar kleine schwarze Fliegen unterwegs gewesen. Diesmal lag der See wie versteinert vor uns. Nur unser gelegentliches Paddeln unterbrach die Stille des Wassers unter uns. Langsam kroch die Kälte in die Zehen…da halfen auch die Paddelpausen zum Heben der Flossen in die wärmeren Wasserschichten nicht mehr viel. Die erste Stunde verging ohne Fischkontakt. Ich hatte mittlerweile unterschiedliche Fliegen auf beiden Ruten ausprobiert. Stationär, langsam geführt, schnell geführt. Keine Reaktionen von Seiten der Flossenträger. Dann wechselte Daniel auf einen schwarzen String Leech und hatte umgehend Erfolg: ein harter Biss auf den lebhaften Streamer, einige kurze Fluchten in die dunkle Tiefe unters Boot, eine sichere Landung und schon war die erste Regenbogenforelle des Nachmittags bereit für ein kurzes Fotoshooting.

Bilder 1-3: Daniels Refo

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Zufall? Auch ich wechselte auf das verführerisch im Wasser tanzende Modell.

Entgegen des Uhrzeigersinns paddelten wir weiter. Und nur wenige Minuten später zuckte es dann auch in meiner Rute. Allerdings nur kurz. Ein vorsichtiger Biss, der sich mehr wie zaghafter, schüchterner Annäherungsversuch als eine agressive Attacke anfühlte. Schade! Aber immerhin ein Lebenszeichen und Grund genug, um mich noch einmal aus meiner gemütlich hängenden Sitzposition – die an einen nassen Kartoffelsack erinnern musste – nach vorne aufzurichten.

Bei den nächsten konzentrierten Würfen verringerte ich die Strip-Geschwindigkeit. Und wieder: tok! tok! Das Ende der Schwimmschnur blieb stehen. Ich zog an der sich leicht kringelnden Leine. Der Anhieb saß. Der Fisch zog mir einige Meter Schnur von der schnurrenden Rolle, mal linksherum, mal rechtsherum. Ich folgte ihm mit Rutenspitze und Boot und dirigierte ihn kontrolliert an die Oberfläche. Als ich das erste Mal einen Blick auf Größe und Erscheinung meines Gegenübers werfen konnte, war ich überrascht: Ein Braun marmorierter Rücken? Bauchflossen in rot-orange mit weißem Rand? Ein Saibling! Bis dahin wusste ich gar nicht, dass der See neben Regenbogenforellen auch andere Salmoniden beheimatete. Als der Fettflossenträger kurz vor meinen Füßen war, wurde mir allerdings ein wenig mulmig. Der wird kaum in meinen Kescher passen! Um den Kopf des Saiblings lenken zu können, hob ich die Rute am ausgestreckten Arm so weit es ging. So gerade passte er in meinen Brodin und machte es sich im feuchten Schonnetz gemütlich (Habt ihr vielleicht einen Tipp für ein größeres Modell mit gummiertem Netz?)

Bilder 4-6: Der Saibling

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Nach diesen schönen Begegnungen, die uns die Eiswürfel bzw. Zehen in unseren Watschuhen kurz vergessen ließen, machten wir einen Pitstiop in der warmen Stube des Pächters, stärkten uns mit halb gefrorenen „Salami-Dauerkauern“ und verabschiedeten uns von Sven. Er hatte zwar warme Füße – war er doch auf einer schwimmenden Plattform unterwegs gewesen -, aber leider keinen Fischkontakt gehabt.

Bild 7: Langsam zieht Nebel auf

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Gestärkt (aber nicht wirklich aufgewärmt) drehten wir im aufkommenden Nebel ein paar letzte Runden auf dem See. Als die Sonne wenig später jedoch hinter dem Bäumen im Horizont versank und sich an unseren Rutenringen immer schneller hartnäckige Eiszapfen bildeten, brachen wir unsere Zelte bzw. Iglus ab und machten uns auf die kurze Heimreise in Richtung Aachen.

Ein erholsamer Tag lag hinter uns. Ok. Zugegeben: Bei Minusgraden stundenlang paddelnd und dennoch an den Zehen frierend zwei Fische zu fangen ist nicht unbedingt jedermans Vorstellung eines „erfolreichen Angeltages“. Aber immerhin waren wir wieder einmal zusammen an der frischen Luft gewesen und haben Schlaufen in die Luft gezeichnet. Und sind es nicht letztlich auch diese Dinge, auf die es beim Fliegenfischen ankommt?

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Impressionen vom See:


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5 responses

1 02 2011
Ralf

brrr, Alex,

mir frieren die Tipp-Finger ein, wenn ich die Bilder sehe…..

ohh, Mann, welch ein Wintertrip!

Grüße
Ralf

1 02 2011
Jörg

Hi Alex,
tolle Aktion, gefällt mir. Der Saibling war die frostigen Zehen allemal wert.
Grüße
Jörg

1 02 2011
Sieger

Mein G… seit Ihr robust… wäre mir zu kalt… Aber schöne Fische habt Ihr gefangen.. ist dann doch die Mühe trotzdem hinzu gehen… ;-)…

2 02 2011
Michael

Hey Alex,

ich freue mich schon auf das Frühjahr. Dann werde ich dort auch mal wieder mit dem Belly Boat fischen. Zur Zeit ist mir das doch zu kalt. Schöner Bericht. Vielleicht sehen wir uns mal an dem Gewässer.

Gruss

Michael

2 02 2011
Alex

Hallo zusammen,

das schöne an diesen Temperaturen ist, das man den ganzen See für sich hat 😉

@Michael: würd mich freuen! Meld dich doch dann einfach mal. Im Frühjahr werde ich allerdings – wenn der Wasserstand es zulässt – meine freie Zeit so weit es geht am Fließgewässer verbringen. Der See ist für mich persönlich immer nur eine Ausweichlösung.

Viele Grüße
Alex

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