Den Schonzeitkoller bekämpfen (2 von 2)

4 12 2010

In meinem ersten Teil von „Den Schonzeitkoller bekämpfen“ fischte ich mit Daniel aus dem Bellyboot auf Regenbogenforellen in den nahen Niederlanden. Im zweiten Teil geht es nun ebenfalls in unser käseerzeugendes Nachbarland, allerdings bis beinahe an die Nordsee: in die Nähe von Alkmaar in der Provinz Nordholland. Wie bereits im Spätsommer – und auch schon im letzten Jahr (Pike on The Fly Teil 1-4) – waren wir wieder zu Gast in dieser wasserreichen Gegend nur unmittelbar über dem Meeresspiegel. Zusammen mit Freunden aus dem Club „Mouche Passion“ behausten Marc und ich ein gemütliches 8-Betten-Häuschen im Bungalowpark Vlietlanden.

Für diejeniegen unter Euch die mit dem Gedanken spielen die Kanäle und Seen dort oben einmal unsicher machen zu wollen, habe ich die wichtigsten Informationen, Adressen etc. als Download zusammengestellt. Über Feedback oder Ergänzungsvorschläge freue ich mich natürlich!

Download – Pike on The Fly

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Während Hubert, Joseph, Jean und Wolfgang bereits vier Tage vor uns die Reise Richtung Alkmaar angetreten waren, mussten Marc und ich hufescharrend warten, bis alle todo-Listen auf der Arbeit sorgsam abgehakt waren. Pflichtbewusste Schreibtischtäter hier, glückliche und freie Rentner da. So ist das Leben…Leider konnte Ralf, der unsere Bootsbesatzung kompletieren sollte, kurzfristig nicht mitkommen. Vor unsere Abreise telefonierte ich noch einmal mit dem immer gut gelaunten Hechtspezi und er erlaubte mir, die für ihn reservierten Hechte fangen zu dürfen. An dieser Stelle muss ich kurz erklärend hinzufügen, dass in den letzten Jahren jener Fliegenfischer mit den meisten Hechten ein goldenes Schnappsgläschen, als Ersatz für einen Wanderpokal, sorgsam verwalten und natürlich als Trinkgefäß für wärmende und alkoholische Flüssigkeiten nutzen durfte. Dies war zuletzt mehrfach Ralf gewesen. Das gönnerhafte Angebot nahm ich daher natürlich umso dankbarer an 😉

Das freundschaftliche Rennen (ich bitte den ironischen Unterton mitzulesen ;)) um den goldenen Pokal zwischen mir und Marc, der zuletzt jeweils knapp den zweiten Platz auf dem Treppchen hinter Ralf belegt hatte, konnte losgehen! Auf der ersten Etappe saß der belgische Titelaspirant am Steuer. Im letzten Jahr hätte ihn diese verantwortungsvolle Tätigkeit ins Heck verschlagen, in diesem Jahr hatten wir aber einen zweiten Elektromotor am Bug befestigt: kein nötiges und umständliches Umgreifen während des Werfens mehr!

Wir fischten in einem großflächigen Wohngebiet in Langedijk und suchten systematisch nach den typischen Hechtstandplätzen; Schilfkanten, Stege, Bootshäuser, Buchten, Seerosenfelder. Ein starker Wind versuchte unsere Bucktailfliegen aus ihren geraden Bahnen durch die Luft zu werfen, konnte aber nicht verhindern, dass bei der Zielanfahrt sechs Hechte unser Boot kurz von Innen hatten bewundern dürfen. Vier für mich, zwei für Marc. Schnapsglas ich komme! Unseren Freunden – die den Tag in Vlietlanden verbracht hatten – war das Glück leider weit weniger holt gewesen. Dennoch war die Stimmung beim gemeinschaftlichen Abendessen (noch einmal Dank an Ralf für die schmackhafte Bolognese) heiter und nicht wolkig.

Bild 1: So kanns weitergehen

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Zur zweiten Etappe ging neben unserem Boot nur noch der schwimmende Luxusliner von Joseph an den Start, denn Wolfgang und Jean hatten ihre Zelte bereits abgebrochen. Nun war es an mir die Geschicke für die vor uns liegenden Stunden in die Hand zu nehmen und uns durch das Labyrinth aus Kanälen und Seen zu navigieren. Im letzten Jahr hatte meine Wenigkeit diese Aufgabe zweimal mehr schlecht als recht erledigt, zumindest hatte ich es nicht geschafft, mich gleichzeitig ums Boot zu kümmern und einen Hecht überlisten zu können. Diesmal – entweder beflügelt durch Ralfs Segen oder vielleicht doch nur aufgrund der neuen Anordnung der Motoren – verlief in meiner Rolle als Kapitän alles wie am Fliegenschnürchen: vier Hechte durfte ich ins Logbuch eintragen. Leider auch einen Schneider für Marc. Macht unterm Strich 6:2, Führung ausgebaut. Die stichelnden Bemerkungen in Richtung meines ersten Matrosen gingen noch flüssiger von meinen Lippen, weil Marc eine Vielzahl von Bissen verzeichnen und mehrere Drills verbuchen konnte, ohne jedoch einen einzigen Hecht zu einem Landgang überreden zu können 😉

Bild 2: Ein Teil des Irrgartens

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Glück ist eine launische Prostituierte! Erklärung? Bitte: Schon bei der nächsten Etappe durch Wind, nein Sturm entlang der Häuserreihen Vlietlandens wendete sich das Blatt: 1:0 für Marc. Dabei hätten es so viele Hechte auf beiden Seiten sein MÜSSEN. Es war wie verhext. Unzählige Angriffe auf unsere Streamer, heftige Kopfstöße am anderen Ende der Sinktip und doch am Ende eine schlaffe Leine und eine verdutzte und zerzauste Braut am Wirbel. Alleine der Rückweg zu unserem hauseigenen Steg war symptomatisch für die Stunden zuvor: Ich hatte in einer Sackgasse zwei Hechte verpasst, einmal an einer Schilfkante und einmal unter einem kleinen Steg. Wir gönnten den Entenschnäbel eine Verschnaufpause und kehrten später an den Ort der beiden Attentate auf meinen weißen Kaninchenstreamer zurück. Ich stand hinten im Boot. Marc saß am Motor. Wir bogen in die Wasserstraße ein und ich warf meine Fliege ans Schilf. Strippen. Strippen. Wie auf Kommando schoss der Hecht aus der Dunkelheit empor und stürzte sich auf den Eindringling. Schon wieder verpasst. Egal! Einer kommt ja noch. Am Ende der Sackgasse wendete Marc unseren Kahn und fuhr mich in die kleine Bucht. Da war die hölzerne Bootsanlegestelle. Ich platzierte mein Muster auf dem Steg, zupfte es vorsichtig an die Kante und ließ es mit einem „Plumps“ ins klare Wasser klatschen. Strippen. Strippen. Biss! Ein kurzes Zappeln am Ende der Intermediate und weg war der blitzschnell Stoßräuber. So in etwa erging es uns den ganzen Tag. Das i-Tüpfelchen auf diese beiden Demütigungen setzte dann beim Zurücksetzen aus der „cul-de-sac“ widerrum der erste Hecht: Er verabschiedete sich von uns (scheinbar grinsend) mit einem dritten Biss. Dieser Spaßvogel…

Der guten Laune an Bord konnten aber auch diese raffinierten Flossenträger keinen Strich durch die Rechnung machen. Außerdem waren wir heilfroh darüber, bei einem waghalsigen Manäver über den großen See nach Onderdijk nicht Schiffbruch erlitten zu haben (auch wenn die hohen Wellen krampfhaft versucht hatten unsere Nussschale in ihre feuchte Gewalt zu bringen).

Bild 3: Marcs zaghafte Aufholjagd

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Mit einer 6:3-Führung leuteten wir im Naturschutzgebiet von Langedijk die finale Etappe ein. Ich konnte die goldenen Umrisse des Kelches schon deutlich erkennen – beinahe berühren… Doch nichts da! Marc rüttelte mich aus meinen schönsten Träumen und zauberte mir zu allem Übel auch noch Schweißtröpfchen auf die Stirn: Entlang der Schilfkanten des großen und kleinen Sees sowie durch die unzähligen Kanäle näherte er sich Hecht um Hecht.  Er saß mir im Genick, ich konnte seinen Atem – Snickers, vorweihnachtlicher Lebkuchen und Eierlikör – in meinem Nacken. Den Verfolger im Rückspiegel beobachtend, konzentriert am Motor sitzend und gegen den starken Wind arbeitend berappelte ich mich jedoch und servierte meine Braut Wurf um Wurf ins dichte Röhricht. Und auch bei mir blieb die 8er Rute diesmal länger krumm als am Vortag. Wir erlebten die schönsten Stunden dieses Ausflugs und fingen gemeinsam 10 Hechte.

Achja, sie verteilten sich übrigens 6:4.

6:4 für wen? Marc durfte sich über 6 Entenschnäbel freuen, ich mich zum Abschluss des Tages allerdings über das größte Exemplar und damit gleichzeit über den Gewinn des goldenen Schnappsgläschens. Hauch-hauchdünn: mit einer Flossenlänge in Führung überquerte ich die Ziellinie. 10:9.

Entsprechend beflügelt und betört sank ich Abends in meinen Beifahrersitz…so ähnlich musste sich Sebastian Vettel gefühlt haben 😉

„Vettel“ ist übrigens nicht nicht nur Name des neuen F1 Weltmeisters, sondern auch die treffende Bezeichnung für eine alte Dame mit hässlichem Äußeren und einem verdorbenen Charakter. Das aber nur als Info.

Bilder 4 & 5: Hechte aus dem Schilf gezaubert

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Auch wenn dieser Ausflug nicht von spektakulären Pleiten, Pech und Pannen oder einem Hecht über 1m geprägt war wie jener im vergangenen Jahr, haben wir in letzter Zeit doch noch oft über die kurze Zeit in Nordholland gesprochen: Zwar hatte Marc in den letzten 8 Jahren in diesem Gebiet schon mehr Hechte fangen können (dies verriet ihm ein kleines geheimnisvoll wirkendes Notizbuch aus seinem Bindeschrank), aber noch nie konnten so viele Bisse gezählt werden. Entgegen der wehmütigen Klagen über den Rückgang der Fischbestände ist dies ein Fakt, der uns für unseren nächsten Besuch in den Niederlanden optimistisch stimmt.

Ob ich dann meinen Titel verteidigen kann? Abwarten. Erstmal muss ich mir den „Wanderpokal“ von Ralf besorgen. Mal schauen ob er ihn überhaupt rausrückt…

 

  • Download: Fliegenfischen in Nordholland

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Den Schonzeitkoller bekämpfen (2 von 2)



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4 responses

4 12 2010
Marc

Hallo Alex,
die vier Tage waren wiedermal viel zu schnell vorbei und es wurmt mich ja schon wieder nur als ZWEITER den Ort des geschehen zu verlassen und das noch gegen meinen Lehrling.
Gruß Marc

4 12 2010
Alex

Hey Marc,

ich sag ja: Das Glück ist eine launische Hure! Und bei der Hechtfischerei noch wesentlich launischer als bei der Forellenfischerei.

Du hast es mir ja selber gesagt: Hechtfischen = harte Arbeit. Das heißt Werfen, Strippen, Werfen, Strippen, Werfen…

Mit „Können“ hat das ganze nicht sooooo viel zu tun. Zumindest weit weniger als beim Forellenfischen.

Bis morgen
Alex

P.S.: Einkaufsliste schon erstellt? Bin noch nicht dazu gekommen. Muss bei dir abschauen 😉

8 12 2010
Jörg

HI Ihr,
geile Hechte! War bestimmt ein tolles Erlebnis. Irgendwann muss ich auch mal nach Holland, werde dann vorher Infos bei Dir abfragen.

Gruß
Jörg

8 12 2010
Alex

Hallo Jörg,

gerne! Die grundlegenden Infos (Adressen, Preise etc.) habe ich ja schonmal zusammengestellt. Für alles andere kannst Du dich natürlich gerne melden.

Grüße
Alex

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